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Letter from Munich – 046

Letter from Munich – the Joseph Affair – 46

EINE DEUTSCHE FASSUNG STEHT WEITER UNTEN.

23 November 2001

Dear Mr. Graf, dear friends,

“Eight years ago in the German city of Rostock,” Juliana said, “firebomb attacks were carried out against a large housing complex where foreigners were living. The perpetrators acted in full view of a large group of onlookers who cheered as Molotov cocktails were hurled into the apartments. The police were overwhelmed and could do nothing. Or perhaps they wanted to do nothing: the disorder last for two nights. If the police had wanted reinforcements, there would have been plenty of time to call for them. You would have expected the ringleaders to be brought to trial fairly quickly. However, the word “quickly” is a relative term in Germany. In this case, “quickly” means eight years. Yes, it was only this week, eight years after the crime, that the three ringleaders were brought to court to face charges of attempted murder. A fourth was set free because in his case the statute of limitations had been exceeded, apparently because of his age. The other three will also probably never be punished, because the crime they committed took place so long ago. ‘And why didn’t the courts act more quickly?’ was the question the German media were asking. ‘Not enough judges,’ the Justice Ministry replied. It is now reported that the accused will again be set free, because the courts treated them so unfairly by making them wait eight years for a trial. So once more the criminals have become the victims. And the real victims, the people who lived in the apartment building? Well, they’re only foreigners,” Juliana said sarcastically, “the niggers of Germany. The courts in Rostock couldn’t care less what happens to them.”

She shook her head. “And this is justice? Yes, this is an excellent example of justice in Germany today. And ‘not enough judges’? That really means, ‘Not enough judges or civil servants who sympathize with the right wing.’”

In profile, Juliana’s head resembles the cameo head of an empress. And perhaps it was a kind of sheer, almost majestic sense of outrage that made her voice deeper and softer than usual. “Of course it can also happen that something similar will happen in the Joseph case. Perhaps neither the government of Saxony nor the murderers will ever be charged with the crimes they committed against Joseph and his parents and his sister. But as long as I’m alive, what happened to this child and his family will not be forgotten.”

Her expression, usually rather tender, gentle, and in certain respects even noble, now appeared resolute, determined, and almost ruthless.

“I’d like to read a portion of a more complete police report – someone already read a shorter version once before – a police report of the results of the questioning of Jens May, the brother of Rene May, who was a witness of what happened the day Joseph was murdered: ‘According to the injured party (Jens May), he and some friends were at the central square in Sebnitz between 8:30 pm and 9:45 pm on the day in question. Jens May was on his way home when, around 9:50 pm, four youths jumped on him in the darkened parking lot of the local bank. Two them held his arms. A third said, “We’re going to kill you,” and the fourth hit him twice in the face and in the ribs. May suspects that the reason for the attack was a set of interviews his fifteen-year-old brother gave for the RTL and Pro7 television channels. In these interviews May’s brother said he had seen the alleged murder of the boy Joseph committed by right-wing extremists.’”

Juliana touched the small gold cross she was wearing on a chain around her neck. “I think more and more often these days,” she said, “of something Thomas Jefferson once said in a different context, but one which is relevant for Germany today: ‘I tremble for my country,’ said the third American president, ‘when I reflect that God is just; that his justice cannot sleep forever.’”

Sincerely yours,

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

E-Mail Saad and Renate Kantelberg-Abdulla: majoskantelberg@t-online.de

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Since many recipients of this letter may read German more easily than they read English, the following is the author’s own translation of the above letter. Please note that word-processing programs outside of German-speaking countries may not display all of the letters of the German alphabet correctly.

Bitte vergessen Sie nicht, dass der Autor dieses Briefes Autodidakt ist, was die deutsche Sprache betrifft, und er weiß, dass die folgende Übersetzung viele Fehler enthält. Er hofft aber, man werde diese Fehler übersehen, um hinter den Fehlern das sehen zu können, was in diesem Schreiben und in dieser Affäre von zentraler Bedeutung ist.

München, den 23. November 2001

Sehr geehrter Herr Graf, sehr geehrte Freunde,

„Vor acht Jahren in Rostock“, sagte Juliana, „wurden Brandanschläge auf ein großes Wohnhaus für Ausländer verübt. Die Täter handelten in aller Öffentlichkeit und eine Menge Leute, die dabei waren, jubelten, als die Molotowcocktails in die Wohnungen geschleudert wurden. Die Polizei war überwältigt und konnte nichts tun. Oder vielleicht wollte sie nichts tun: Die Aussschreitungen dauerten zwei Nächte, also wenn die Polizei sich Verstärkungen hätte kommen lassen wollen, hätte es reichlich Zeit dafür gegeben. Man hätte vielleicht erwarten können, dass die Haupttäter schnell vor Gericht gebracht worden würden. Die Begriffe ,schnell’ und ,langsam’ bedingen sich aber gegenseitig in Deutschland. In diesem Fall heißt ,schnell’ acht Jahre. Ja, erst diese Woche, acht Jahre nach dem Verbrechen, wurden drei der Hauptäter vor Gericht gebracht und wegen Mordversuchs angeklagt. Ein vierter läuft frei herum, weil das Verbrechen in seinem Fall inzwischen verjährt ist, anscheinend wegen seines Alters. Wahrscheinlich werden auch die anderen nie bestraft werden, weil es schon lange her ist, dass sie das Verbrechen begangen haben. ,Und warum hat die Justiz nicht schneller gehandelt?’ hat die Medien in Deutschland diese Woche gefragt. ,Nicht genug Richter’, antwortet das Ministerium. Man glaubt, die Täter werden bald auf freien Fuß gesetzt werden, weil die Justiz sie unfair behandelt hat, indem dass sie acht Jahre auf ein Prozess warten mussten. Also, noch einmal sind die Täter Opfer geworden. Und die echten Opfer, die im Wohnhaus wohnten? Ach, sie sind nur Ausländer“, sagte Juliana sarkastisch, „die Nigger Deutschlands. Es ist der Justiz in Rostock völlig egal, was ihnen passiert “.

Sie schüttelte den Kopf. „Und das ist Gerechtigkeit? Ja, in Deutschland heute ist das ein exzellentes Beispiel für Gerechtigkeit. Und ,nicht genug Richter’? Das heißt wirklich, ,Nicht genug Richter und Beamter, die mit den Rechten sympathisieren’“.

Julianas Kopf in Seitenansicht ähnelt einer Kamee des Kopfs einer Kaiserin. Und vielleicht war es eine Art reiner, fast majestätischer Empörung, die ihre Stimme tiefer und leiser als normal machte. „Natürlich kann es auch sein, dass so etwas im Fall Joseph passieren werden wird. Vielleicht werden weder die sächsische Regierung noch die Täter deswegen angeklagt werden, was sie Joseph und seinen Eltern und seiner Schwester angetan haben. Aber solange ich lebe, wird das nie vergessen werden, was diesem Kind und dieser Familie passiert ist“.

Ihr Gesichtsausdruck, normalerweiser zärt, freundlich und in gewisser Hinsicht sogar edel, wirkte in diesem Moment resolut, entschlossen und fast rücksichtslos.

„Ich möchte einen Teil eines vollständigeren Polizeiberichts – man hat schon einmal eine kurzere Version vorgelesen – über die Zeugenvernehmung mit Jens May, Bruder von Rene May, der ein Zeuge davon war, was an dem Tag passierte, als Joseph ermordet worden ist: ,Nach Angaben des Geschädigten hatte er sich in der Zeit von 20.30 Uhr bis 21.45 mit vier Kumpels auf dem Markt in Sebnitz aufgehalten und danach den Heimweg angetreten. Gegen 21.50 Uhr sind auf dem dunklen Kundenparkplatz der Sparkasse vier Jugendliche vor ihn gesprungen. Zwei haben ihn an den armen gepackt. Ein weiterer sagte wörtlich: „Wir bringen dich um“, und der vierte schlug ihn mit der Faust zweimal ins gesicht und den Rippenbereich. Der Geschädigte vermutet als Grund für den Angriff, dass sein fünfzehnjähriger Bruder ein fernsehinterview für RTL und Pro7 gegeben hat. Darin hat er geäußert, dass er den möglichen Mord des kleinen Joseph durch rechte Täter gesehen hat’“.

Juliana berührte ein kleines goldenes Kreuz, das trug. „Immer öfter“, sagte sie, „denke ich daran, was Thomas Jefferson in einem etwas anderen aber auch für Deutschland relevanten Zusammenhang einmal äußerte: ,Ich zittere für mein Land’, sagte der dritte amerikanische Präsident, ,wenn ich darüber nachdenke, dass Gott gerecht ist, dass seine Gerechtigkeit nicht für immer schlafen kann’“.

Mit freundlichen Grüßen

Robert John Bennett

Mauerkircherstrasse 68

81925 Germany

Telephone: +49.89.981.0208

E-Mail: rjbennett@post.harvard.edu

E-Mail an Herrn und Frau Dr. Kantelberg-Abdulla: majoskantelberg@t-online.de

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